Für eine nachhaltigere Landwirtschaft – FH Kiel erforscht Einsatz von Sensoren bei der Ausbringung organischer Wirtschaftsdünger in der Landwirtschaft
Die Nitratbelastung des Grundwassers in Deutschland ist vielerorts zu hoch. Das liegt vor allem am Einsatz von Düngemitteln in der Landwirtschaft. Unter der Leitung der Fachhochschule (FH) Kiel soll die Nutzung von Sensoren für die Analyse des Nährstoffgehalts in flüssigen Düngern erprobt und etabliert werden. Ein auf drei Jahre ausgelegtes Modell- und Demonstrationsvorhaben wird in vier verschiedenen Bundesländern durchgeführt und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit rund 2,5 Mio. Euro gefördert. Langfristig sollen organische Dünger wie Gülle besser genutzt und Mineralstoffdünger eingespart werden.
Auch wenn sie vielen stinkt, Expert*innen gehen davon aus, das Ackerbaubetriebe künftig weit mehr organische Dünger wie Gülle auf ihren Anbauflächen einsetzen. Dafür gibt es gute Gründe, denn so können Nährstoffüberschüsse in Gebieten mit hoher Nutztierdichte verringert werden. Zudem lassen sich vorhandene organische Nährstoffe besser nutzen und der Einsatz mineralischer Düngemittel reduzieren. Allerdings ist die Gülle-Düngung oft schwer kalkulierbar, erklärt Prof. Dr. Yves Reckleben von der FH Kiel. Der Experte für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik leitet das Projekt MuD NIRS und erklärt die vielen Unwägbarkeiten bei der Verwendung von flüssigem organischen Dünger: „Der Nährstoffgehalt ist bisher aufgrund weniger Stichproben am Lager nur schwer zu erfassen. Die Gülle wird in den Lagerbehältern oft nur unzureichend homogenisiert. Außerdem kommt es häufig zu einer Sedimentation, also einem Absetzen der Feststoffe, die einen Großteil der Nährstoffe enthalten, die erst im Boden zu pflanzenverfügbarem Nährstoff umgewandelt werden müssen. Denn tierhaltende Betriebe sammeln die Gülle neun Monate im Lagerbehälter. Und in der letzten Etappe, dem Ausbringen auf dem Feld, gibt es erneut erhebliche Schwankungen.“ All das erschwert es Anwender*innen, ihre Anbauflächen bedarfsgerecht zu düngen. Deswegen setzen sie zur Kompensation des Risikos einer Mangelversorgung zusätzlich mineralische Düngemittel ein.
Der letztlich ungenaue Einsatz hat erhebliche Folgen für Ertrag und Umwelt. Eine zu geringe oder überhöhte Dosierung beeinflusst den Ertrag und die Qualität der Pflanzen und die Umwelt: Das Korn könnte beispielsweise ungleichmäßig reifen, durch Pflanzen nicht aufgenommene Nährstoffe sich im Boden anlagern und langfristig in Grund- und Oberflächenwasser gelangen. Abhilfe könnte eine digitale Echtzeitanalyse der Nährstoffgehalte flüssiger Düngemittel schaffen, sowohl bei der Abfüllung in Transportbehälter als auch bei der Ausbringung aufs Feld. Möglich wäre dies durch sogenannte reflexionsoptische Systeme. Diese, beispielsweise die Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS), ermöglichen eine berührungslose Echtzeiterfassung, so Prof. Reckleben: „Diese technische Lösung gibt es schon seit langem, sie wird jedoch in der Praxis bislang nur vereinzelt genutzt. Die Technik ist allein für die organische Düngung für viele Betriebe zu teuer, sie kann aber auch bei der Ernte zur Qualitätsbestimmung des Erntegutes oder zur Inhaltsstoffbestimmung bei der Tierfütterung genutzt werden.“
An dem Modell- und Demonstrationsvorhaben sind neben dem Fachbereich Agrarwirtschaft der Fachhochschule Kiel und der Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum Rheinhessen-Nahe-Hunsrück (DLR-RNH) in Rheinland-Pfalz und das Internationale Pflanzenbauzentrum der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) in Bernburg beteiligt. Sie wollen in den kommenden drei Jahren Landwirt*innen die Vorteile des Einsatzes der NIRS-Technologie in vier unterschiedlichen Regionen zeigen: In Niedersachen, als eine Region mit hoher Nutztierdichte und damit einem Überschuss an Wirtschaftsdünger, den Gemischtregionen Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt, in dem aufgrund der landwirtschaftlichen Struktur nur wenige Wirtschaftsdünger anfallen. Mittelfristig wollen die Projektpartner*innen die Akzeptanz der NIRS-Technologie steigern und deren Einsatz etablieren, um langfristig eine höhere Nährstoffnutzungseffizienz betriebseigener organischer Wirtschaftsdünger zu erreichen sowie den Einsatz von Mineraldüngern deutlich zu reduzieren und in manchen Betrieben sogar ganz einstellen zu können.
Vom Einsatz der NIRS-Technologie könnten am Ende alle profitieren: Die Umwelt, die Pflanzen und die Landwirt*innen in den Regionen. Mit genauen Angaben zu den Nährstoffgehalten in Güllen und Gärresten könnten sowohl die Betriebe, die organische Dünger abgeben als auch für die, die sie einsetzen ihre Dokumentationspflichten besser erfüllen. Eine im Sekundentakt ablaufende digitale Erfassung der Inhaltsstoffe kann den Aufwand hierfür deutlich verringern.
Autorin: Frauke Schäfer, Pressesprecherin der Fachhochschule Kiel