Energiewendeminister Goldschmidt und Wirtschaftsminister Madsen informierten sich heute in Bad Oldesloe über den Stand des Projektes „Feldversuch eHighway.SH“ (FESH)

08. Dezember 2022

Die vor drei Jahren an der Autobahn 1 bei Lübeck in Betrieb genommene Teststrecke mit Oberleitungsinfrastruktur zur Elektrifizierung schwerer Lkw soll im Rahmen des Feldversuches Aufschluss darüber geben, ob das eHighway-System im Realbetrieb dazu geeignet ist, die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs zeitnah, nennenswert und zu konkurrenzfähigen Kosten zu reduzieren.

Der Feldversuch:

Die vor drei Jahren an der Autobahn 1 bei Lübeck in Betrieb genommene Teststrecke mit Oberleitungsinfrastruktur zur Elektrifizierung schwerer Lkw soll im Rahmen des Feldversuches Aufschluss darüber geben, ob das eHighway-System im Realbetrieb dazu geeignet ist, die CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs zeitnah, nennenswert und zu konkurrenzfähigen Kosten zu reduzieren.

Das Konzept, eine annähernd verlustfreie, direkte Energieversorgung der Lkw über Oberleitungen aufzubauen, um Erneuerbare Energien sowohl unmittelbar für den Antrieb als auch für das Laden von Batteriespeichern während der Fahrt bereitstellen zu können, wird in Fachkreisen als besonders effiziente Lösung der Klimaherausforderung im Bereich der Antriebe schwerer Nutzfahrzeuge gewertet.

Wie die FuE-Zentrum FH Kiel GmbH in einem Resümee des bisherigen Verlaufs des Feldversuchs darstellte, konnten hier bereits – auch durch die Einbindung wissenschaftlicher Begleitforschung – wertvolle Einblicke in technische, ökologische und ökonomische Fragestellungen gewonnen werden, die der Politik Entscheidungsgrundlagen für einen möglichen Ausbau liefern.

Ergebnisse aus der Praxis:

Die Erfahrungen aus dem Betrieb der Anlage werden von den Beteiligten insgesamt positiv beurteilt. Die Autobahnmeisterei, wie auch die Rettungs- und Einsatzkräfte von Feuerwehr und Polizei haben keine nennenswerten Probleme bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zu berichten. Die Zusammenarbeit mit der FuE-Zentrum FH Kiel GmbH sowie der sie in der Betriebsführung unterstützenden Nahverkehr Schwerin GmbH funktioniert reibungslos.

„Die anfängliche Skepsis der Mitarbeiter hat sich schnell gelegt. Zwar haben wir durchaus einen gewissen Mehraufwand im Straßenbetrieb, z.B. bei Grün- und Gehölzschnitt, wir haben aber ansonsten nur gute Erfahrungen mit dem System und der Betriebsorganisation gemacht“, so Jörg Becker, Leiter der Autobahnmeisterei Bad Oldesloe.

Eine Analyse des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer – Spurwahl, Geschwindigkeit und Abstand betreffend – belegt unter anderem, dass sich dieses mit der Errichtung der Oberleitung geringfügig, aber nicht maßgeblich verändert hat. Für Großraumund Schwertransporte stellte der Streckenabschnitt ebenfalls keine Hürde dar und auch Unfälle und Pannen auf dem Streckenabschnitt konnten zumeist ohne weitere Berücksichtigung der Oberleitung abgewickelt werden.

Matthias Kipp, Leiter Polizei-Autobahn- und Bezirksrevier Bad Oldesloe, betont: „Die Oberleitung über der Autobahn hatte keinen größeren Einfluss auf die Arbeit der Autobahnpolizei - wir hatten jedenfalls nur wenige Vorfälle auf der Strecke, die wir anders behandeln mussten als sonst üblich.“

Als Ergebnis der ökologischen Begleitforschung wurde das mögliche Kollisionsrisiko für Vögel in der Planungsphase wohl eher überschätzt: die Untersuchungen zum Vogelflugverhalten mittels Wärmebildkameras lassen jedenfalls darauf schließen, dass die Oberleitung keinen relevanten Einfluss auf die Tiere hat.

Zur Forschung hinsichtlich der Technik gehörte bislang das Verhalten der Oberleitung unter Witterungseinflüssen sowie im Zusammenspiel mit den Stromabnehmern der OH-Lkw. An der Oberleitung ergaben sich u.a. kleinere Probleme mit Einzelkomponenten, die sich zum Teil unverträglich mit dem ausgebrachten Streusalz zeigten oder Scheuerstellen aufwiesen. Die Verfügbarkeit der Infrastruktur erreichte im Versuchsbetrieb gleichwohl bereits Werte um 99 %, so dass davon ausgegangen wird, dass die aus dem Bahnbereich adaptierte Stromversorgungs- und Oberleitungstechnik in einem großmaßstäblichen Ausbau keine größeren Herausforderungen darstellen würde.

Arndt Grote, Industriemeister und Anlagenverantwortlicher beim FuE-Zentrum, bekräftigt: „Auch wenn ich bei der Infrastruktur, wie auch den Lkw, noch Verbesserungsbedarfe sehe, die ich aber für überwindbar halte, hat sich in den letzten drei Jahren meine Einschätzung gefestigt, dass diese Technologie funktioniert und vermutlich die effizienteste Lösung zur Elektrifizierung des Güterfernverkehrs darstellt“.

Auswirkungen der elektrischen Anlage auf das öffentliche Netz bspw. in Form von Oberschwingungen wurden bislang nicht festgestellt. Und auch die Energieübertragung auf den Lkw funktioniert: Bislang wurden an der Oberleitung knapp 15.000 km gefahren. Die mit Stromabnehmer ausgerüsteten OH-Lkw sind entlang der mit Oberleitungen ausgestatteten Strecke aktuell zu über 90% mit dieser verbunden. Die Verluste bzgl. des Nutzungsgrades entstehen in erster Linie durch die verzögerte Aktivierung des Stromabnehmers am Streckenbeginn und würden bei längeren Oberleitungsstrecken vernachlässigbar. Bei der kurzen Durchfahrt durch die Teststrecke der 5 km langen ziehen die OH-Lkw mittlerweile bis zu 15 kWh aus der Oberleitung, das entspricht einer Leistung von 380 kW. Die genutzten Fahrzeugprototypen könnten bis zu 260 kW für den Antrieb und gleichzeitig 180 kW für die Ladung von Batterien ziehen und damit anschließend an die Oberleitungsstrecke eine etwa 1,5 mal so lange Distanz mittels der entsprechend geladenen Batterie befahren.

Die Reinfelder Spedition Bode, die die Versuchsfahrzeuge im täglichen Speditionsbetrieb im kombinierten Verkehr nutzt, zeigt sich denn auch insgesamt zufrieden mit dem System. Zwar gäbe es noch relativ viele Werkstattaufenthalte der Fahrzeuge, dies sei aber dem Prototypenstatus geschuldet.

„Als Praxispartner sind wir, die Spedition Bode, im Jahr 2019 mit viel Motivation und gewissen Erwartungen in das Projekt FESH gestartet“, erklärt Marc-Philipp Bode, Geschäftsführung der Spedition Bode GmbH & Co. KG. „Zu Beginn des Projekts war die Fahrerakzeptanz eine der Sorgen, die wir hatten. Diese hat sich jedoch in der Praxis nicht bewahrheitet, der Umgang mit den Fahrzeugen erfolgt reibungslos und routiniert. Viele Fragen, die sich uns und anderen Projektteilnehmern gestellt haben, sind mittlerweile belegt, widerlegt oder spielen eine untergeordnete Rolle. Dennoch gibt es noch genügend offene Punkte, bei dessen Abarbeitung wir mehr Geschwindigkeit aufnehmen müssen.“

Hinsichtlich der erhofften Aussagen zu wirtschaftlichen Kennzahlen im Vergleich zu anderen potenziell CO2-neutralen Technologien wie reinen Batterie- oder Brennstoffzellenfahrzeugen muss konstatiert werden, dass, aufgrund der in allen Bereichen nicht belastbar prognostizierbaren Preisentwicklungen, von einer Veröffentlichung zum jetzigen Zeitpunkt abgesehen werden muss. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass gerade die gestiegenen Energiekosten eher für eine möglichst effiziente Elektrifizierung und somit den eHighway sprechen.

Fazit und Ausblick:

Ungeachtet der insgesamt positiven Bewertung des bisherigen Versuchsverlaufes wurden bei der Fahrzeugtechnik Optimierungsbedarfe, insbesondere in Bezug auf die Verlässlichkeit und Steuerung der Systeme, die Bedienung und Fahrerunterstützung sowie das Grundkonzept der Hybridfahrzeuge identifiziert, die zukünftig weiter untersucht werden sollen. In den nächsten beiden Jahren sollen außerdem mit Konvoi-Fahrten verstärkt die Effekte gegenseitiger mechanischer und elektrischer Beeinflussung mehrerer Fahrzeuge erforscht werden.

Es stehen ferner im Bereich der Energieversorgung noch verschiedene Versuche mit den Gleichrichter- und Wechselrichterunterwerken sowie einem neuen, die Oberleitung versorgenden Batteriespeicher an. Und auch in Bezug auf die Gestaltung und den Betrieb der Infrastruktur wurden Potenziale zur Verbesserung festgestellt, die in eine weitere Optimierung und Standardisierung des eHighway-Systems einfließen.

Im Rahmen einer Perspektivenentwicklung soll zudem - aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen im Feldversuch – die Vorplanung für ein größeres Pilotprojekt auf der A1 erarbeitet werden.